Am 11. Oktober 2014 fand die Ironman Weltmeisterschaft in Kaiula-Kona auf Hawaii statt. Birgit Jacobi (Biggi) hat sich im Vorfeld bei der EM in Frankfurt für diese Meisterschaft qualifiziert. Für die 50-jährige war es die Premiere auf Hawaii. Bereits 10 Tage vor dem Rennen, am Vormittag des 1. Oktober, startete für Biggi die knapp 25-stündige Reise ans andere Ende der Welt – der Mythos IRONMAN – Hawaii konnte beginnen. Neben 12 Stunden Zeitverschiebung musste sich der Körper auch an die sehr schwülen und heißen Temperaturen anpassen, bevor er richtig leistungsfähig sein konnte.
Fast jeden Morgen führte Biggis erster Weg vor dem Frühstück zum Schwimmtraining an den Pier von Kona, der Startlinie des Triathlons. Hier trafen sich die qualifizierten Athleten aus aller Welt, um die am Renntag zu absolvierende Strecke zu testen, sich an das Salzwasser und den Wellengang zu gewöhnen. Der klare Pazifik ist enorm warm und die Unterwasserwelt mit ihren unzähligen bunten Fischen derart wunderschön, dass man hier oft vor lauter Schauen und Staunen ungewollt Atemmangelübungen schwimmt. Auch traf Biggi hier auf den späteren Sieger Sebastian Kienle und sogar auf die 8-fache Hawaii-Siegerin Paula Newby-Fraser. Von Tag zu Tag wurde die Schaar der Athleten größer; auch die Umgebung passte sich immer mehr einer Weltmeisterschaft an: die Triathlonmesse wurde aufgebaut, bunte Fahnen und Werbebanner, wo man hinschaute – mit jedem Tag wuchs die Spannung für das eigentliche Rennen – dem ‚Super Bowl‘ der Triathleten!
Biggi hatte in den folgenden Tagen ausreichend Zeit, ein paar lockere Trainingseinheiten auf der Rad- Wettkampfstrecke und unter den neuen klimatischen Verhältnissen zu absolvieren. Die auf Big Island – so wird die größte der hawaiianischen Inseln genannt – herrschende Hitze und die hohe Luftfeuchtigkeit wird hierbei einem erst bei den Laufeinheiten so richtig bewusst. Das Gefühl, in einem Backofen zu atmen, stellte sich auch bei Biggi ein, wie sie in der Rückschau berichtete. Selbst die Einheimischen sprachen vom heißesten September und Oktober seit 20 Jahren. Und so waren auch alle gespannt, wie die Bedingungen am Wettkampftag werden würden.
Raceday!!! Samstag, 11. Oktober: um halb vier in der Nacht klingelte für Biggi der Wecker. Noch nie (sie löschen) war sie vor einer Langdistanz so ausgeschlafen und munter gewesen, sagt sie heute.
Das anschließende Prozedere ist für sie fast schon Routine; der Ironman in Frankfurt war auch erst gute drei Monate her: Aufstehen, Anziehen, Frühstücken und restliche Sachen packen. Der Großteil (Rad, Radschuhe, Helm und Laufsachen) musste bereits am Vortag in der Wechselzone abgegeben werden. Mit einem der vielen Shuttelbusse – es wurden die alten, gelben US-Schulbusse eingesetzt – ging es für Biggi dann zum Pier.
Um 5:00 Uhr herrschte schon reges Treiben beim Bodymarking; es ist die erste wichtige Station am Renntag. Hier wird jedem Athleten in einer Art Zeremonie die vorgefertigte Startnummer auf die Oberarme geklebt; ein One-Day-Tattoo. Von nun an war Biggi an diesen ganz speziellen Tag in Ihrem Leben die Nummer 728 oder wie die Amis so schön sagen: seven-twenty-eight … looking good!
Erstmalig wurde in diesem Jahr auf einen Massenstart verzichtet und der Start erfolgte ab 6:30 Uhr in vier Startgruppen. Beginnen durften die Profi-Männer, dann die Profi-Frauen, anschließend die Altersklassen.
Um 7:00 Uhr fiel der Startschuss – der wirklich von einer Kanone vom Ufer aus abgefeuert wird – für die 675 Altersklassen-Frauen. Es war das größte Frauenstarterfeld, das es jemals bei einem Triathlon gab – die Weltmeisterschaft hatte begonnen.
Das Meer war an diesem Morgen sehr aufgewühlt und der Wellengang nahm mit der Weite des offenen Meeres noch zu. Aufgrund der Leistungsdichte wurde das Getümmel und Gerangel auch nach 1,9 Kilometern, der Hälfte der Schwimmstrecke, nicht weniger, wie sich Biggi erinnert. Wendepunkt war ein ankernder Katamaran, der zu umschwimmen war. Auf dem Rückweg zum Pier spürten die Athleten die berüchtigte Gegenströmung.
Für die erste Disziplin hatte Biggi sich 1:20 Stunden vorgenommen und war mit ihrer Schwimmleistung von 1:22 Stunden rückblickend doch recht zufrieden. Nach dem Ausstieg standen den Triathleten ausreichend Frischwasserduschen zur Verfügung, die man vorsichtshalber nutzen sollte. Die Wechselzone empfand Biggi endlos lang.
Der Wind war den Athleten an diesem Wettkampftag nicht gut gesonnen – bereits nach 30 Kilometern auf dem Highway begann ein extrem starker Gegen- und Seitenwind, welcher sonst erst viel später eintritt. Biggi kam zwar mit der Hitze gut zurecht, aber der heftige Wind lies die Top-Athletin verzweifeln und zermürben. Bei fast allen Verpflegungsstationen musste sie daher anhalten um Getränke und Riegel aufzunehmen bzw. zu Essen und zu Trinken, denn ein einarmiges Halten des Lenkers bzw. Rades war ihr nicht möglich.
Der Wind sollte auch auf dem Rückweg von Hawi, dem Wendepunktort, nicht weniger werden. Letztendlich hat Biggi dadurch fast eine Stunde auf ihre persönliche Zeitvorgabe verloren und schob das Rad nach 6:25 Stunden in die Wechselzone. Sie hatte große Bedenken zu viel Energie auf der Strecke gelassen zu haben, wie sie später berichtete; war aber erleichtert den Radpart aufgrund des starken Windes ohne Sturz überstanden zu haben – bei einigen Frauen waren Schürfwunden später sichtbar.
Im Wechselzelt wurde den Athleten von den vielen fleißigen Helfern in Eiswasser getränkte Handtücher über Nacken und Schultern gelegt; hier merkte man dann erst so richtig, wie unerbittlich die Sonne draußen auf dem Highway zwischen den Lavafeldern gebrannt hat.
Jetzt folgte die Paradedisziplin der amtieren Europameisterin. Obwohl sie aufgrund einer Fersenentzündung acht Wochen vor der WM kein richtiges Lauftraining mehr absolvieren konnte, vertraute Biggi auf ihre Laufstärke und das Lauftraining im ersten Halbjahr. Und das zu Recht: die Poseidon-Athletin lief den abschließenden Marathon in 3:27 Stunden, wie so oft in Tagesbestzeit ihrer Altersklasse. Selbst sagte sie: „Ich hatte scheinbar aufgrund der geringen Laufumfänge so frische Laufbeine, keinerlei Krämpfe oder Krampfansätze und den Verletzungsschmerz konnte ich auch irgendwann ausblenden.“
Die Laufstrecke auf Hawaii gilt als einer der härtesten im Ironman-Zirkus. Die Kombination aus Hitze, tiefschwarzem Asphalt, Streckenprofil und der Vorbelastung verlangen dem Athleten alles ab. Vor allem die Kilometer hinab ins „Natural Energy Lap“ und wieder hinauf zum Highway sind die heißesten überhaupt und diese liegen zwischen Kilometer 26 und 30.
Als es dann endlich vom Queen K Highway runter und zurück in das Städtchen Kona über die Palani Road ging, waren es nur noch etwas über zwei Kilometer bis zur Finishline. Bereits hier hört man laute Musik, die jubelnden Zuschauer und die sogenannte „Stimme des Ironman“ – Sprecher Mike Reilly, der jeden Athleten im Ziel mit dem lange ersehnten Satz empfängt: „… You are an Ironman!“ Der letzte legendäre Kilometer auf dem berühmten Alii Drive, tausende von Zuschauern rechts und links der Straße und dann der Zieleinlauf sind einfach unbeschreiblich, wie Biggi berichtete und: „Jeder Triathlet träumt davon und ich bin dankbar es erlebt zu haben.“
Biggi hat es geschafft – sie hat den Ironman auf Hawaii nach 11 Stunden und 25 Minuten gefinished und das als beste Deutsche auf Rang 7 ihrer Altersklasse F50-55; weitere 58 Gleichaltrige konnte sie auf die Plätze hinter sich verweisen.
Birgit sagte nach dem Rennen: „Alle Legenden über dieses Rennen sind wahr: es ist brutal heiß und es ist brutal windig. Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Langdistanz mit keiner anderen rund um den Globus vergleichbar ist. Aber ich komme nach Hause mit einer Top-Platzierung und einem riesigen Koffer voller wunderschöner Erinnerungen!“
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